Die Geschichte der „Rheinschule“

Wie kein anderer Gebäudeteil symbolisiert der Turm der Rheinschule die wechselvolle Geschichte dieser beinahe hundertjährigen Lehranstalt. Der Turm mit der ihn bekrönenden Kuppel an der Schnittstelle von Süd- und Westflügel stellt den gelungenen Abschluss des Gesamtbauwerkes dar. Als Blickfang springt er dem Betrachter, der sich der südlichen Innenstadt nähert, als herausragender Orientierungspunkt ins Auge, selbst noch von der anderen Rheinseite in Mannheim aus. Der achteckige Abschluss mit der Balustrade dokumentiert in besonderer Weise den Einfluss des Jugendstils auf die Architektur zu Beginn des vorigen Jahrhunderts.

Die Bevölkerungsentwicklung in Ludwigshafen zu Beginn des vorigen Jahrhunderts, vor allem die große Zahl schulpflichtiger Kinder, veranlassten 1912 den Gemeinderat und die Stadtverwaltung mit Oberbürgermeister Krafft an der Spitze den Bau einer neuen Volksschule zu beschließen. Als Standort wählte man den damals südlichsten Bebauungspunkt Ecke Rott- und Mundenheimer Straße. Nach dem Baubeginn am 1.August 1913 konnte die „Rheinschule” zum 1. Mai 1914 von den ersten vier Klassen bezogen werde, fein säuberlich getrennt nach Knaben und Mädchen.

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Für die Baumaßnahme verantwortlich zeichnete vom ersten Beginn der Planung an der spätere Stadtbaumeister Marcus Sternlieb, der in der Ausgestaltung dieser Schule seine außerordentlichen architektonischen Fähigkeiten nachwies, vor allem deshalb, weil er sich diesem „Nutzbau” in besonderer Weise verbunden fühlte.

Der Bau war nahezu vollendet, als Sternlieb von Friedrich Lux kontaktiert wurde, der ein Domizil für „seine” Volkssternwarte suchte. Angeregt von der Sternwarte in Berlin-Treptow hatte der umtriebige Unternehmer Lux seit 1911 das Ziel verfolgt, eine Sternwarte in den „städtischen Gärten” (auf der Parkinsel) zu errichten. Die Kosten für dieses Unterfangen überstiegen jedoch seine Möglichkeiten, so dass er von seinem Plan vorläufig Abstand nahm, ohne ihn jedoch aufzugeben.

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Die Kriegsschäden wurden in einer groß angelegten Baumaßnahme im Jahre 1950 beseitigt, so dass wieder ein geregelter Schulbetrieb aufgenommen werden konnte, nunmehr jedoch in Form einer Berufsschule. „Und da man sich”, wie im Generalanzeiger vom 23. Mai 1950 zu lesen ist, „schon einmal die Schule vorgenommen hat, ist man auch an die Instandsetzung des Turms gegangen, um einen weiteren Verfall aufzuhalten. So hat man den Turm mit der Kuppel hinter Gitter gesetzt. Zunächst ist man an den Ausbau eines Bibliothekszimmers gegangen.

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Eine neuerliche Inbetriebnahme der Sternwarte wurde zwar angedacht, wegen der fehlenden Finanzmittel jedoch zurückgestellt. Bedauerlicherweise ist niemand der Verantwortlichen in den Jahren, als in Ludwigshafen „Milch und Honig flössen”, auf den Gedanken gekommen, die Sternwarte wieder zu beleben. Das wäre im Vergleich zu anderen „Prestigeobjekten” eine Kleinigkeit gewesen. So bleibt eigentlich nur die Hoffnung, dass sich in nicht allzu ferner Zukunft Mittel aufbringen lassen, um Physiklehrern eine Gelegenheit zu bieten, mit der Schülerschaft ins Weltall aufzubrechen, nicht via TV, sondern mit eigener Anschauungskraft.
Freuen dürfen wir uns aber auch heute noch darüber, dass bei der Renovierung 1950 die Turmuhr nicht vergessen wurde, damit alle im Umkreis der Rheinschule genau wissen, welche Stunde für sie geschlagen hat.

Die Geschichte der Volkssternwarte in Ludwigshafen ist nahezu minutiös dokumentiert in den Quellen im Stadtarchiv gegenüber der Rheinschule in der Rottstraße, woher auch das Bildmaterial zu diesem Bericht stammt.

Willy Merkel